Patientenverfügung

Inhalt:

 

  • Vorbemerkung
  • 1. Ausgangslage
  • 2. Folgen der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1994
  • 3. Heutiger Stand der Rechtssprechung
  • a) Bindungswirkung der Patientenverfügung
  • b) Inhalt der Patientenverfügung
  • 4. Fazit

 

Vorbemerkung

 

Es ist seit jeher in der Diskussion, wie einem todkranken Menschen ein menschenwürdiger Tod ermöglicht werden kann und ermöglicht werden darf. Das Spannungsfeld wird dadurch aufgebaut, dass nach allen religiösen, ethischen und strafrechtlichen Normen die Tötung eines Menschen verboten ist. Das fünfte Gebot besagt: „Du sollst nicht töten!“ Dieses Gebot findet bis heute in strafrechtlicher Hinsicht seine Ausprägung in § 212 StGB. Dort heißt es: „Wer einen Menschen tötet, (....) wird mit Freiheitsstrafe bestraft.“


Die Tathandlung des Tötens besteht in der Verursachung des Todes. Nach der Rechtssprechung des BGH ist darunter auch die Sterbebeschleunigung eines Todkranken zu verstehen, selbst wenn der Todeseintritt nur um eine geringe Zeitspanne verkürzt wird.


Nach dem Selbstverständnis der Ärzte sind diese zur umfassenden Hilfeleistung verpflichtet. Dieses Selbstverständnis fand erstmals seine Ausprägung in dem so genannten Hippokratischen Eid, der etwa 500 v. Chr. verfasst wurde. Die heutige Fortsetzung der Grundgedanken des Hippokratischen Eides findet sich in dem Genfer Ärztegelöbnis, das 1948 vom Weltärztebund in Genf formuliert wurde und seit 1950 - leicht modifiziert - die Präambel für die Berufsordnungen der einzelnen deutschen Ärztekammern ist.


Den strafrechtlichen, religiösen und ethischen Grundsätzen, dass Leben grundsätzlich zu erhalten ist, steht das Selbstbestimmungsrecht des Menschen gegenüber. Gerade die medizinischen Möglichkeiten erfordern eine Diskussion darüber, ob alle medizinischen Möglichkeiten in jedem Fall bis zu Ende durchgeführt werden müssen, selbst wenn dies nur zu einem Dahinsiechen des Patienten führt.


Die Diskussion um die ärztliche Sterbehilfe setzte in Deutschland erst sehr spät ein. Auf dem Hintergrund der als Euthanasie ausgegebenen Massenvernichtung im Dritten Reich scheuten sich sowohl Ärzte als auch Juristen das Thema voranzubringen. Die Massenvernichtung war im Dritten Reich von Ärzten mitgetragen und von Juristen gerechtfertigt worden. 

 

 

1. Ausgangslage


In einem ersten Urteil vom 13.09.1994 hat sich der BGH zum ersten Mal mit Fragen der Zulässigkeit des Abbruchs einer ärztlichen Behandlung befasst. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:


Die 70-järhige E. war seit Jahren nicht mehr ansprechbar, geh- und stehunfähig und konnte nur noch im Wege der künstlichen Ernährung am Leben erhalten werden. Anzeichen für Schmerzempfinden waren nicht vorhanden. Eine Aussicht auf Besserung des Zustandes bestand ebenfalls nicht, da sie infolge eines Herzstillstandes irreversible Gehirnschäden erlitten hatte. Der behandelnde Arzt schlug dem Sohn vor, diesen leidvollen Zustand dadurch zu beenden, dass statt der künstlichen Nahrung künftig nur noch Tee verabreicht werde. Dadurch würde der Tod binnen zwei bis drei Wochen eintreten, ohne dass E. leiden müsse. Der Sohn erinnerte sich, dass die Mutter anlässlich einer Fernsehsendung über einen Schwerstpflegefall geäußert hatte, so wolle sie auf keinen Fall enden. Auf diesem Hintergrund erklärte er sich mit dem vom Arzt vorgeschlagenen Behandlungsabbruch einverstanden.


Weil der Pflegedienstleiter rechtliche Bedenken gegen den Behandlungsabbruch hatte, zeigte er die Maßnahme an. Sowohl der behandelnde Arzt als auch der Sohn wurden wegen versuchten Totschlags angeklagt. Im ersten Rechtszug wurden sie vom Landgericht Kempten beide für schuldig befunden. Der BGH sprach sie am 13.09.1994 in einer ersten grundlegenden Entscheidung vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei. Erstmals urteilte der BGH,
dass bei einem unheilbar erkrankten, nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten der Abbruch einer ärztlichen Behandlung ausnahmsweise zulässig sein kann. Entscheidend sei der mutmaßliche Wille des Patienten.


Der BGH betonte in diesem Zusammenhang, dass an der Ermittlung des mutmaßlichen Willens strenge Anforderungen zu stellen seien. Anzuknüpfen sei insbesondere an frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Patienten, seine religiöse Überzeugung, seine sonstigen persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbedingte Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen.

 

 

2. Folgen der Entscheidung


Wenn die Entscheidung auch überwiegend in der Literatur auf ein positives Echo stieß, waren die kritischen Äußerungen nicht zu überhören. Auf Bedenken stieß die Entscheidung aus folgenden Gründen:

  • Zum einen wurde beanstandet, dass es an objektiven Kriterien fehlte, die dem behandelnden Arzt ein gewisses Maß an Rechtssicherheit bieten. Es kann nicht hingenommen werden, dass der Arzt jedes Mal Gefahr läuft, später wegen Totschlags sich verantworten zu müssen. Die Beurteilung der Strafbarkeit auf der Grundlage des „mutmaßlichen Willens des Patienten“ ließ einen weiten Beurteilungsspielraum offen.
  • Weiter muss eine Abgrenzung zur Euthanasie gefunden werden. Die Grenzen zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe sind bisweilen fließend. Eine zur Schmerzlinderung verabreichte Medikamentengabe kann aufgrund des akuten Zustandes eines Patienten auch lebensverkürzend wirken.
  • Geklärt werden muss darüber hinaus, ob ein vom Patienten geäußerter Wille von dem behandelnden Arzt respektiert werden muss. Ob einer Patientenverfügung im Verhältnis zum Arzt oder Vorsorgebevollmächtigten Bindungswirkung zukommt, war in der Folgezeit einer der zentralen Streitpunkte:
    • während zum Teil die Ansicht vertreten wurde, die Patientenverfügung entfaltet keinerlei Bindungswirkung und sei i. d. S. lediglich ein geäußerter Wille,
    • vertraten andere den Standpunkt, dass ein Arzt, der sich über den Willen des Patienten hinwegsetze, sich ggf. wegen Körperverletzung strafbar mache.
    • Die überwiegende Meinung ging davon aus, die Patientenverfügung sei ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des mutmaßlichen Patientenwillens.

 

Diese erste Entscheidung des BGH hat in der Folgezeit eine heftige Diskussion entfacht. Zwei Jahre nach dieser Entscheidung stellte ein ehemaliger vorsitzender Richter am BGH in einem Kommentar fest, dass 50 Jahre nach der Massenvernichtung im Dritten Reich nunmehr die Diskussion um die ärztliche Sterbehilfe in vollem Gang sei.
Seit der ersten Entscheidung des BGH ist das Interesse der Bevölkerung an sogenannten „Patientenverfügungen“ auf immer breiteres Interesse gestoßen. Die Beurkundung von Patientenverfügungen ist mittlerweile fester Bestandteil der notariellen Praxis.

 

 

3. Heutiger Stand der Rechtssprechung


Der letzten Entscheidung des BGH vom 17.03.2003 lag folgender Sachverhalt zugrunde

  • Der Patient war unheilbar krank und infolge von Reanimationsmaßnahmen nicht mehr kommunikationsfähig. Er wurde über eine Magensonde ernährt. Es bestand keinerlei Aussicht, dass sich der Zustand jemals wieder verbesserte. Im übrigen war der Zustand stabil. Mit Hilfe der künstlichen Ernährung hätte der Zustand ggf. über Jahre hinaus erhalten bleiben können.
  • Im Rahmen einer Patientenverfügung hatte der Patient verfügt: „Für den Fall, dass ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin verfüge ich im Falle meiner irreversiblen Bewusstlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns (...), 
  • will ich:
    • keine Intensivbehandlung,
    • Einstellung der Ernährung
    • (...).“

 

 

a) Bindungswirkung der Patientenverfügung


In der Entscheidung stellt der BGH zunächst fest, dass die einmal getroffene Entscheidung im Rahmen einer Patientenverfügung so lange Bestand hat, bis sie widerrufen wird. Damit ist der bisherige Streit, ob die Patientenverfügung Bindungswirkung entfaltet, höchstrichterlich entschieden. Die einmal niedergelegte Patientenverfügung bleibt solange in Kraft, bis sie widerrufen wurde.


Auch die in der Vergangenheit wiederholt vertretene Ansicht, eine Patientenverfügung müsse in regelmäßigen Abständen erneuert werden, hat sich damit endgültig erledigt.


Der Wunsch des Patienten kann sich natürlich nicht nur darauf richten, dass unter bestimmten Voraussetzungen Behandlungen abgebrochen werden. Inhalt der Patientenverfügung kann auch der ausdrückliche Wunsch sein, dass die Behandlung solange wie möglich fortgesetzt wird. Ein Wunsch nach Maximalbehandlung findet ihre
Grenze dann im Rahmen des bisherigen generellen Heil- und Pflegeauftrags.

 

 

b) Inhalt der Patientenverfügung

 

  • aa)
    • Inhalt einer Patientenverfügung ist es, dem Willen des Patienten hinsichtlich einer medizinischen Behandlung oder deren Abbruch zum Durchbruch zu verhelfen, wenn der Patient selbst nicht mehr in der Lage ist, diesen Willen zu äußern. Im Hinblick auf den Inhalt ist die Abgrenzung zu strafrechtlichen Grenzen von entscheidender Bedeutung. Verboten ist in Deutschland nach wie vor die so genannte aktive Sterbehilfe. Aktive Sterbehilfe wird als Mord, Totschlag oder - falls es mit Willen des Patienten erfolgt - als Tötung auf Verlangen strafrechtlich verfolgt.

 

  • bb) 
    • Auf der Grundlage der Entscheidung des BGH ist der Arzt im Rahmen seines generellen Heil- und Pflegeauftrages verpflichtet, lebensverlängernde Maßnahme solange durchzuführen, bis Behandlungen medizinisch nicht mehr indiziert sind. Koma-Patienten müssen z. B. möglicherweise über Jahre hinweg weiterbehandelt werden. Der Arzt ist nicht befugt, aufgrund eigener Entscheidung eine Behandlung abzubrechen.
    • Lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen müssen jedoch unterbleiben, wenn
      • das Vormundschaftsgericht im Rahmen einer Rechtsmäßigkeitsprüfung die Zustimmung erteilt hat. Das Vormundschaftsgericht prüft nur, ob der beabsichtigte Behandlungsabbruch mit dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gekommenen Willen übereinstimmt. Von zentraler Bedeutung ist daher, dass Patientenverfügungen möglichst konkret abgefasst werden.
      • der Patient einwilligungsunfähig geworden ist und
      • der Patient seinen Willen zum Abbruch entsprechender Maßnahmen im Rahmen einer Patientenverfügung im einwilligungsfähigen Zustand niedergelegt hatte,

 

  • cc)
    • Der BGH folgert den Anspruch des Patienten auf Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen aus der Würde des Menschen, die es gebietet, sein Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er später zu eigenverantwortlichen Entscheidungen nicht mehr in der Lage ist. Nur für den Fall, dass ein solcher ausdrücklich erklärter Wille nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten auf der Grundlage seiner Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen, Überzeugungen etc. 
    • Eine gegen den Willen des Patienten durchgeführte Behandlung ist als Körperverletzung strafbar.

 

 

4. Fazit


Die Genehmigungspflicht der Umsetzung der Patientenverfügung kann nur auf den ersten Blick als Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten gesehen werden. M. E. ist der Entscheidung des BGH im Ergebnis zuzustimmen. Der juristische Laie wird für die gerichtliche Kontrollentscheidung durchaus dankbar sein. Auch dem Vollmachtgeber, dem nicht selten bei Errichtung einer Patientenverfügung der Gedanke durch den Kopf geht, man werde sich seiner vielleicht allzu leichtfertig oder gar gezielt entledigen, wird die gerichtliche Kontrolle, ob die von ihm vorgegebenen Voraussetzung für einen Abbruch der Behandlung vorliegen, ebenfalls begrüßen.
Nicht zuletzt der behandelnde Arzt wird durch die gerichtliche Kontrolle im Vorfeld vor späteren strafrechtlichen Verfolgungen geschützt.
Weiter unklar ist, inwieweit der in einer Patientenverfügung niedergelegte Wille auch Angehörige zum Handeln verpflichtet. 

 

 

Patientenverfügungen - 18.06.2009


Künftig sind Patientenverfügungen auf eine sicherere rechtliche Grundlage gestellt. Der Bundestag hat am 18.06.09 gesetzliche Regelungen zur Patientenverfügung beschlossen, die bereits am 1.09.09 in Kraft treten sollen.
Nach jahrelanger Diskussion ist nun klar: Die Selbstbestimmungsrecht des Patienten muss bei medizinischen Behandlungen beachtet werden, gerade auch dann, wenn der Patient selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen selbst zu treffen oder zu äußern.


Das Gesetz trifft künftig Regelungen sowohl zu den Voraussetzungen als auch zur Bindungswirkung von Patientenverfügungen. Der Wille des Patienten muss unabhängig von Art und Stadium seiner Erkrankung respektiert werden, also auch dann, wenn die Krankheit nicht unbedingt tödlich endet. Bisher war umstritten, inwieweit der Arzt verpflichtet war, Willensbekundungen der Patienten zu beachten und welche Anforderungen als diese Erklärungen zu stellen waren.


Das Gesetz verlangt künftig, dass die Patientenverfügung zumindest schriftlich erklärt wird. Der Betreuer oder Bevollmächtigte des Patienten hat jedoch gemeinsam mit dem behandelnden Arzt zu prüfen, ob die Festlegungen noch auf die konkrete Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, trifft das Vormundschaftsgericht eine Entscheidung auf entsprechenden Antrag.


Wie bereits bisher ist es die Aufgabe des Betreuers oder Bevollmächtigten, den Wünschen des Betroffenen Geltung zu verschaffen. Auf ihm lastet somit immer auch eine hohe Verantwortung. Wichtig ist daher, rechtzeitig bei Einsetzung eines Bevollmächtigten mit ihm auch über diese Fragen zu reden, damit dieser zu gegebener Zeit Entscheidungen stets im Interesse des Vollmachtgebers treffen kann.


Auch unter den neuen gesetzlichen Regelungen empfiehlt es sich daher, rechtzeitig vorzusorgen. Durch die Einsetzung eines Bevollmächtigten nach eigener Auswahl kann vermieden werden, dass durch das Gericht ein Betreuer bestellt wird. Patientenverfügungen sollten möglichst konkret den Willen des Patienten zum Ausdruck bringen, damit später keine Fragen bei der Auslegung der Erklärungen entstehen. Den höchsten Beweiswert haben nach wie vor notariell beurkundete oder beglaubigte Patientenverfügungen, oft zusammen mit einer Vorsorgevollmacht aufgesetzt. Der Notar hilft bei der Formulierung, erläutert Bedeutung und Tragweite der Urkunde und beachtet dabei stets den rechtlich vorgegebenen Gestaltungsrahmen. Bei der Beurkundung prüft der Notar auch die Geschäftsfähigkeit des Beteiligten und muss im Zweifelsfall die Beurkundung ablehnen.


Patientenverfügungen können ebenso wie Vorsorgevollmachten beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden. Nach Angabe der Bundesnotarkammer sind derzeit ca. 900.000 Vollmachten registriert, davon ca. 600.000 verbunden mit einer Patientenverfügung. Die Vormundschaftsgerichte in Deutschland fragen das Register derzeit ca. 20.000 Mal monatlich ab.

 

 

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